Herr Grittner, was macht man als DFB-Pressesprecher eigentlich? 

Gerade bei großen Turnieren ist er immer wieder im Fokus. Aber auch bei sonstigen Anliegen der Presse ist er meist die erste Anlaufstelle. Der Pressesprecher des DFB.

Doch was macht er eigentlich? SSUT hat sich mit Jens Grittner über dessen Beruf unterhalten - doch auch sportliche Themen blieben in dem Gespräch natürlich nicht außen vor.

 

 

(tr/seko). Spiel, Satz und Tor: Herr Grittner, zunächst einmal vielen Dank für die Zeit, die Sie sich für uns genommen haben. Die FIFA hat vor knapp drei Wochen einen Untersuchungsbericht der hausinternen Ethik-Kommission veröffentlicht, der den Verband eigentlich aus der Schusslinie nehmen sollte. Tatsächlich hat er aber eine vielleicht historische Krise ausgelöst. Wie steht der DFB zu dem Bericht?

 

Jens Grittner (44): DFB-Präsident Wolfgang Niersbach hat sich in den letzten Tagen zu dem Bericht ja bereits geäußert. Sinngemäß und zusammengefasst drückte er sein Bedauern darüber aus, dass die von der FIFA initierten Untersuchungen nicht das gewünschte Ergebnis brachten. Und er wies auch darauf hin, dass es im Zusammenhang mit der WM in Katar weiterhin einige Fragezeichen gebe, insbesondere hinsichtlich des Klimas und der Arbeitsbedingungen.  

 

SSUT:  Weil wir wissen, dass Sie als DFB-Pressesprecher natürlich auch nicht die Befugnisse haben, gerade im sportpolitischen Bereich und in dieser auch im Moment sehr aufgeheizten Situation, neue Statements eigenmächtig abzugeben, wollen wir mal ihre ganze persönliche Situation im Verband besprechen und beleuchten. Was macht eigentlich ein Pressesprecher beim DFB und wo liegen seine Aufgaben?

 

J.G.: Ich bin Teil unserer, von Mediendirektor Ralf Köttker geleiteten, „Direktion Kommunikation“ und als Pressesprecher der Nationalmannschaft vielleicht so etwas wie ein Scharnier. Also quasi ein Bindeglied zwischen den Medien auf der einen Seite und der Mannschaft, also den Spielern, Trainern und Verantwortlichen, auf der anderen Seite.

Mir und Uli Voigt, dem zuständigen Ansprechpartner für die Kollegen der elektronischen Medien, kommt dabei eine Mittlerrolle zu. Wir wissen um das öffentliche Interesse und den Stellenwert der Nationalmannschaft, diesem wollen wir auch gerecht werden. Gleichzeitig gilt es, den sportlichen Abläufen immer eine Priorität einzuräumen. Das ist manchmal eine schwierige Balance, bis hin zum Drahtseilakt. Ein Pressesprecher muss sozusagen die Tür zur Öffentlichkeit öffnen, muss sie aber auch wieder schließen und Interna berücksichtigen.

Wenn sich alle Mitspieler in diesem Zusammenspiel zwischen Medien, Sportlern und Offiziellen an die Spielregeln halten, ist das ein wunderschöner Job, bei dem natürlich auch Vertrauen eine ganz große Rolle spielt.

 

SSUT: Sie müssen also einen Spagat zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre schaffen…

 

J.G.: Ja, mitunter ähnelt es auch schon einmal der Quadratur des Kreises. Man kann nicht immer die Bedürfnisse eines jeden einzelnen bedienen. Ich finde aber schon, dass wir insgesamt ein gutes, von gegenseitigem Respekt geprägtes Miteinander haben, in dem – meistens jedenfalls - jeder auch die Perspektiven des anderen sieht.     

Bei der WM in Brasilien war der deutsche Medientross nach dem des Gastgeberlandes der größte. Natürlich aber hat jedes Medium den Anspruch und Wunsch, einen exklusiven Blick auf Abläufe zu bekommen. Meistens jedoch übersteigen die Medienwünsche die Kapazitäten – dann spielt Diplomatie natürlich auch eine  Rolle. Die Wünsche nach Exklusivität sind dabei leider nicht immer zu erfüllen. Mit Blick auf die Arbeitsbedingungen und Medienservices aber bin ich davon überzeugt, dass der DFB insgesamt eine gute Medienarbeit leistet. Das wurde uns im Übrigen in Brasilien auch von der FIFA so bestätigt.

Wir waren mit der einzige Verband, der nahezu jeden Tag eine Pressekonferenz gegeben hat. Und mit 200 Einzelinterviews auch in diesem Bereich ganz vorne mit dabei. Durch den internationalen Fokus auf die Mannschaft wurde der Kuchen ja nicht größer, aber die Zahl, die von dem etwas abhaben will, war riesig und kaum mehr zu bewältigen. Das aber soll beileibe kein Klammern sein - im Gegenteil: Es ist Ausdruck der großen Resonanz  der Nationalmannschaft.

 

SSUT: Hat man als Pressesprecher seine Lieblinge innerhalb einer Mannschaft, mit denen es besonders viel Spaß macht zu arbeiten?

 

J.G.: Nein, Lieblinge habe ich eigentlich keine. Das ist einfach der Professionalität geschuldet, mit der wir alle diesen Job betreiben wollen. Wir sehen uns als Dienstleister, die einen Service anbieten, bei dem es aber nicht um einzelne Spieler geht, sondern um die gesamte Mannschaft. Wir nehmen die Spieler so, wie sie sind. Das entspricht unserer Philosophie. Die Spieler in ihrer Persönlichkeit zu stärken - das wird so ja auch von Oliver Bierhoff vorgelebt. Die Persönlichkeiten sollen sich entfalten und dazu gehört eben auch,  dass der eine Spieler der Presse gegenüber aufgeschlossener ist als ein anderer.

 

SSUT: Sind Sie in der Position befugt, einzelnen Spielern Tipps im Umgang mit der Presse zu geben?

 

J.G.: Ja, natürlich dürfen, wollen und können wir das machen. Aber gerade als Pressesprecher der Nationalmannschaft müssen wir das kaum noch, weil die Spieler einfach schon von den Vereinen geschult sind und meistens auch als Nationalspieler nicht ihre erste Pressekonferenz absolvieren. Da ist ja eine gewisse Grunderfahrung schon vorhanden.

 

 

Info

Jens Grittner wurde 1970 in Fulda geboren. Der Diplom-Betriebswirt kam 1999 zum Deutschen Fußball Bund (DFB) und begleitete dort bis 2006 unter anderem die Position des Pressesprechers des Organisationskomitees für die WM 2006. Anschließend fungierte Grittner als Pressesprecher der U21-Nationalmannschaft. Am 1. September 2012 beerbte Grittner Harald Stenger als DFB-Pressesprecher und leitet in dieser Funktion seitdem die Pressekonferenzen der A-Nationalmannschaft. 

 

 

SSUT: So viel zu Ihrer Person. Ein bisschen sportliche Themen haben wir aber doch noch und schauen zunächst einmal auf den Weltfußballer. Da wurde Manuel Neuer für das Finale nominiert und misst sich nun mit Titelverteidiger Cristiano Ronaldo und Lionel Messi. Wie sehen Sie seine Chancen?

 

J.G.: Die Experten sind sich ja einig, dass Manuel Neuer diese Auszeichnung absolut verdient hätte. Auch Bundestorwarttrainer Andy Köpke und Bundestrainer Jogi Löw sagen, dass er das Torwartspiel, nicht zuletzt auch in Brasilien, absolut revolutioniert und unheimlich weiterentwickelt hat. Ich schätze ihn auch als Persönlichkeit, sodass ich ihm die Auszeichnung nicht nur sportlich, sondern auch menschlich unheimlich gönnen würde. Er wäre nach dem Sowjet Lew Yaschin, der, glaube ich, 1963 ausgezeichnet wurde, erst der zweite Torhüter, der dies erreichen würde.  


SSUT: 2015 hat zwar die A-Nationalmannschaft „turnierfrei“, aber die U21 will nach dem Europameistertitel greifen. Was erwartet sich der DFB von dem Turnier?

 

J.G.: Das ist eher eine Frage an den Sportdirektor oder die sportlichen Verantwortlichen. Toll aber ist, dass unsere U 21 beim Turnier in der Tschechischen Republik dabei ist und nun die Chance besteht, sich darüber mal wieder für ein Olympisches Fußballturnier zu qualifizieren. Das wäre natürlich ein Traum.

 

SSUT: Herr Grittner, ist die EM 2016 in Frankreich für den Weltmeister ernsthaft in Gefahr?

 

J.G.: Joachim Löw hat in der Vergangenheit bewiesen, dass er immer wieder neue Impulse in die Mannschaft setzen kann und so wird er es auch im nächsten Jahr schaffen, das Team sicher zur EM zu führen. Beim DFB wird sich niemand auf seinen Lorbeeren aus Brasilien ausruhen.

 

SSUT: Können Sie uns zum Abschluss des Gesprächs noch eine Anekdote aus Brasilien erzählen, die bisher noch nicht so bekannt gewesen ist?

 

J.G.; Naja, Anekdoten sollten generell doch immer eher mannschaftsintern gehalten werden (lacht). Diskretion gehört ja auch zu meinem Profil als Pressesprecher.

Die Zeit in Brasilien war einfach so unglaublich intensiv für jeden von uns, das jeder etwas ganz persönliches zu erzählen hat. Für mich waren dieser Mannschaftszusammenhalt und dieses Gefühl einer großen Familie einfach unheimlich prägend. Auch die Zusammenarbeit mit den Trainern, Oliver Bierhoff und den Spielern war etwas ganz Besonderes. Unser gesamtes Team hinter dem Team fühlte sich vom ersten Tag an als fester Bestandteil. Wir haben uns von Tag zu Tag mehr auf dieser WM-Welle befunden, die ein Wahnsinnsgefühl in einem auslöst. Als wir nach dem Finale alle gemeinsam auf den Platz gestürmt sind, wo alle Schranken gefallen sind und Emotionen freien Lauf gelassen wurden – das war ein Moment, den wir alle wohl nie vergessen werden. Diese Minuten werden unsein Leben lang verbinden. 

Das ist jetzt weniger eine Anekdote als ein Erlebnis, das aber so, wie beschrieben, eben einmalig gewesen ist. Man hat einfach gesehen, was man als Team gemeinsam erreichen kann.

 

SSUT: Herr Grittner, wir bedanken uns für das Gespräch und die Zeit.

 

 

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