"Mich interessiert der Mensch hinter dem Spitzensportler"

Der Eurosport-Kommentator Matthias Stach ist seit Jahren die deutsche Tennis-Stimme im Fernsehen. Im Gespräch mit uns zieht der 50-Jährige Bilanz, spricht  über Serena Williams und erzählt uns, was ihm bei Kommentaren besonders wichtig ist.

 

 

(tr/seko). Spiel, Satz und Tor: Herr Stach, fangen wir mit einer scheinbar leichten Frage an: Wie zufrieden sind Sie mit der abgelaufenen Tennis-Saison der deutschen Damen?

 

Matthias Stach (50): Mit der bin ich relativ zufrieden. Angie Kerber hat ihren Top-Ten-Platz bestätigt. Das wird oft vergessen, finde ich aber eine ganz tolle und außergewöhnliche Leistung. Im Fed-Cup sind die Damen auch gut dabei. Julia Görges hatte in der Saison leider mit einigen Verletzungen zu kämpfen und ein bisschen Pech. Da müssen wir sehen, wie sie im kommenden Jahr wieder zurückkommen wird. Aber insgesamt finde ich, dass die Saison mit Kerber und einer Andrea Petkovic, die ja jetzt auch nach und nach wieder zu ihrer alten Form zurückfindet, an der Spitze doch ganz zufriedenstellend gelaufen ist. Auch eine Mona Barthel und eine Annie Beck, die ihre erste volle Profisaison gespielt hat, sind zu erwähnen. Dazu natürlich die überragende Wimbledonvorstellung mit der Finalteilnahme von Sabine Lisicki.

 

SSUT: Das hört sich alles in allem ganz positiv an. Wie fällt Ihr Fazit bei den Herren aus?

 

MS: Gemischt. Philipp Kohlschreiber hat in diesem Jahr, wie auch in den Saisons davor, bewiesen, dass er auch große Namen schlagen kann. Ihm fehlt aber leider die Konstanz, um dieses Potenzial regelmäßig abrufen zu können. Vergessen dürfen wir auch nicht einen Flo Mayer, der lange Jahre regelmäßig unter den Top20 der Welt war. Das wird in Deutschland leider auch oft übersehen oder schlicht und ergreifend vergessen.

Aber es fehlen natürlich die absoluten Ausreißer nach oben, wie es sie bei den deutschen Damen gegeben hat. Deshalb steht das deutsche Herrentennis im Moment etwas im Schatten des Wimbledon-Erfolgs von Sabine Lisicki.

Insgesamt fällt mein Fazit bei den Herren aber positiv aus, außer, dass wir uns in der Altersklasse 18 bis 24 Jahre ein bisschen Sorgen machen müssen. Das ist kurioserweise genau die Altersspanne, in der bei den Damen einiges passiert ist und wir dort gute Spielerinnen haben, die noch ein paar Jahre auf höchstem Niveau mithalten können und das auch werden.

 

SSUT: Damit haben Sie uns freundlicherweise fast schon eine Steilvorlage für unsere nächste Frage gegeben, denn es fällt auf, dass bei den Männern die „alten Hasen“ an der Spitze stehen. Hinter Tommy Haas, Philipp Kohlschreiber und Florian Mayer klafft dann aber eine große Leistungslücke. Sie sind dafür bekannt, dass Sie bei Ihren Grand-Slam-Übertragungen auch immer wieder auf die Juniorenturniere blicken. Kann sich das deutsche Herrentennis in Zukunft auf neue Stars freuen? Alexander Zverev wird das Jahr bei den Junioren schließlich als Weltranglistenerster beenden.

 

MS: Nicht nur das: Alexander Zverev kenne ich schon länger und habe ihn auch schon mehrfach spielen sehen. Bei ihm passt einfach das Gesamtpaket: Er ist jetzt schon sehr abgezockt und natürlich ein super Spieler, der aber darauf achten sollte, immer mal wieder die eine oder andere Pause einlegen müsste. Er ist auf jeden Fall ein Spieler, der eine Menge Potenzial hat, dem man aber auch seine Zeit geben muss, die ein junger Spieler nun einmal braucht. Man muss da auch immer vorsichtig sein, einen Spieler schon in jungen Jahren zu sehr in den Himmel zu loben. Wenn man bedenkt, wie Zverev schon jetzt gehypt wurde: Die WildCard in Hamburg zum Beispiel. Das muss ein junger Kerl auch erst einmal verarbeiten und verkraften. Er hat aber ein sehr gutes Umfeld. Sein Vater ist sehr erfahren, sein Bruder ist schon Profi (Mischa Zverev stand im Juni 2009 auf Weltranglistenplatz 45, aktuell Weltranglisten-168./d. Red.) und die Mutter ist Trainerin. Von der Seite müssen wir uns um Alexander Zverev deshalb keine Gedanken machen. Der wird seinen Weg gehen.

Es gibt aber auch noch andere junge deutsche Spieler, die das Potenzial haben. Zum Beispiel ein Maximilian Marterer, den ich schon beim Davis-Cup beobachtet habe, wo er Sparringspartner war. Auch er ist ein sehr talentierter junger Mann, dazu Linkshänder, was nie schaden kann.

Es gibt drei oder vier Spieler, die mit harter Arbeit etwas erreichen können. Ich fände es toll, wenn sie zunächst einmal in der Weltrangliste etwas nach vorne kommen – das heißt für solche Youngsters unter die ersten 200. Auf jeden Fall sollten wir den Jungs die Zeit lassen, die sie benötigen. Potenzial ist auf jeden Fall vorhanden.

 

SSUT: Sowohl im Herreneinzel, als auch im Dameneinzel gibt es im Moment kontroverse Diskussionen um den Status des „besten Spielers aller Zeiten“. Bei den Damen hat Serena Williams eine fulminante Saison gespielt. Wenn Sie die Amerikanerin mit Steffi Graf vergleichen – ist Williams besser oder fehlt ihr noch etwas, um den gleichen Status wie Graf zu erreichen?

 

MS: Wenn man mathematisch an die Sache herangeht, fehlen Serena Williams vor allem noch ein paar Grand-Slam-Turniere, um mit Steffi Graf gleichzuziehen. Das ist zunächst einmal eine Tatsache. Ich bin allerdings durchaus der Meinung, dass Williams die 22 Grand-Slam-Titel von Steffi erreichen kann (aktuell sind es 17/d. Red.). Ich finde die Diskussion um den „besten Spieler aller Zeiten“ oder die „beste Spielerin aller Zeiten“ allerdings mühselig, da man die verschiedenen Generationen meiner Meinung nach nicht vergleichen kann. Es sind komplett unterschiedliche Epochen, das Tennis zu Zeiten von Steffi war ein ganz anderes als das heutige. Dazu kommt das Material, das sich sehr unterscheidet. Deshalb warne ich davor, zu sagen, bei den Herren sei Roger Federer der beste aller Zeiten und bei den Damen Steffi Graf. Vielleicht ist es bei den Herren auch Rod Laver, der in seiner Zeit die großen Turniere einige Zeit nicht spielen durfte, weil der Profistatus als solcher nicht existierte oder verboten war. Ich finde diese Aussagen immer sehr schwer. Was man definitiv sagen kann, ist, dass ein Spieler der Beste seiner Generation war. Serena Williams ist das ohne Frage und natürlich auch eine der besten Spielerinnen aller Zeiten. Aber dann muss man auch festlegen, woran wir das messen wollen. Nur Einzelspiele? Oder auch die Doppel? Denn auch das Doppelspiel gehört zu einem kompletten Spieler dazu. Da dürfen wir dann auch eine Martina Navratilova oder einen John McEnroe nicht vergessen, die mit Einzel und Doppel unheimlich viel erreicht haben.

Um aber die ursprüngliche Frage zu beantworten: Ich würde sagen, dass Serena Williams zu den besten drei Spielerinnen aller Zeiten gehört. Und Roger Federer selbstverständlich auch.

 

SSUT: Wie Sie vorhin schon angedeutet haben, ist Lisicki in Wimbledon bis ins Finale gekommen und hat in Deutschland einen kleinen Boom ausgelöst. Glauben Sie, Lisicki kann im nächsten Jahr an ihren Erfolg anknüpfen und was erwarten Sie sich von Angelique Kerber, die ja bekanntlich vor wenigen Tagen ihren neuen Coach bekanntgegeben hat, im kommenden Jahr?

 

MS: Kommen wir erst einmal zur Angie Kerber. Der Benjamin Ebrahimzadeh ist ja im Prinzip kein neuer Trainer. Sie kennt ihn schon seit vielen Jahren, sie haben in Offenbach häufig zusammen trainiert und Ebrahimzadeh hat sich mit dem Heimtrainer von Kerber, Torben Beltz, immer schon gut abgestimmt. Also das ist jetzt kein völlig neues Terrain, was Kerber betritt. Neu ist nur, dass Ebrahimzadeh ab sofort der einzige ist, der sie auf der Tour regelmäßig begleiten wird. Das hat er aber auch im letzten Teil der vergangenen Saison getan. In der Öffentlichkeit wird das zwar als großer Trainerwechsel verkauft, was er an sich aber eigentlich gar nicht ist.

Sabine Lisicki hat jetzt die große Chance, sich zu beweisen. Sie hat das in Wimbledon schon mehrfach, übrigens kurioserweise trotz einer Rasenallergie, geschafft. Das wird auch immer wieder vergessen, dabei macht es die Leistung eigentlich umso erstaunlicher. Aber Lisicki muss jetzt zeigen, dass sie dieses Niveau auch bei anderen Turnieren abrufen kann. Das ist die große Aufgabe, der sie sich stellen muss. Sie muss die Kontinuität bringen, damit sie dauerhaft da steht, wo sie hingehört – und das heißt mindestens unter die Top20. Das wird die Hauptherausforderung für Lisicki in der nächsten Saison sein. Und ich möchte das dann auch nicht an einem einzigen Turnier festmachen. Das war in diesem Jahr ein überragender Erfolg. Wenn man aber sieht, welche Konstanz zum Beispiel die vier besten Herren bringen, muss diese Konstanz auch ein Ziel von Lisicki sein. Das wird nicht einfach sein, aber sie hat das Potenzial dafür.

 

SSUT: Im Davis Cup trifft die deutsche Mannschaft vom 31. Januar bis 2. Februar in Frankfurt auf die eigentlich übermächtig wirkenden Spanier. Sowohl Tommy Haas als auch Philipp Kohlschreiber haben ihre Zusage gegeben, für Deutschland aufzuschlagen. Außerdem wurde vor einigen Tagen bekanntgegeben, dass bereits fast alle Tickets für das Spiel verkauft wurden. Glauben Sie, dass man mit der bestmöglichen Mannschaft sowie einer rappelvollen Halle im Rücken gegen Nadal und Co. eine Chance hat?

 

MS: Das kommt zunächst einmal vor allem darauf an, was die vorderste Spitze bei den Spaniern macht. Sprich: Sagen Rafael Nadal und/oder David Ferrer der spanischen Davis-Cup-Mannschaft zu oder sagen sie ab? Generell glaube ich aber immer an eine Chance. Natürlich wird die deutsche Mannschaft als Außenseiter in die Begegnung gehen. Die Begegnung wird aber auch für Tommy Haas noch einmal eine ganz große Nummer werden, wenn er denn spielt. Er hat, wie Sie gesagt haben, zugesagt, aber bis Ende Januar kann noch viel passieren, besonders was Verletzungen angeht. Dazu kommt, dass die Mannschaft in einer ausverkauften Halle doch einen gewissen Heimvorteil genießen und die Fans im Rücken haben wird. Es wäre schade, wenn das dann nicht funktionieren würde und deshalb glaube ich auf jeden Fall an eine Außenseiterchance. Die Rolle des Außenseiters muss ja nicht unbedingt eine schlechte sein. Ganz wichtig wird sein, dass man ein starkes Doppel zusammenstellen wird. Das ist eine der großen und wichtigen Aufgaben von Davis-Cup-Chef Carsten Arriens.

 

SSUT: Generell wird im deutschen Free-TV recht wenig Tennis gezeigt. Außer den Grand-Slam-Turnieren – und davon ja inzwischen auch nur noch drei – werden vielleicht noch die deutschen Turniere übertragen und hin und wieder ist ein Livestream im Internet zu finden. Ansonsten sucht man die gelbe Filzkugel weitgehend vergeblich in der deutschen Fernsehlandschaft. Wie erklären Sie sich das? Ist Fußball oder Wintersport wirklich so viel interessanter?

 

MS: Da muss ich Ihnen erst einmal widersprechen, denn Eurosport hat in den letzten Jahren fast die komplette WTA-Tour übertragen. Also ganz so wenig Tennis im Free-TV wird nicht gezeigt, wie das oft dargestellt wird. Es ist sogar eine ganze Menge. Es hängt aber eben auch nach wie vor sehr davon ab, was der eigene Markt hergibt und was man wiederum auf dem Markt verbreiten kann. Das heißt, die Sender müssen sich vor allem mit den Veranstaltern über die Kosten für die Übertragungen einig sein. Das sind schlicht und ergreifend wirtschaftliche Interessen und Abläufe. Dazu kommt, dass der Mechanismus leider so funktioniert, dass immer erst der Erfolg da sein muss, damit die Sender auf den Zug überhaupt aufspringen. Deswegen finde ich das Modell der Pro7/Sat1 Media ganz gut. Die haben gesagt, wir kooperieren die nächsten zehn Jahre mit dem Deutschen Tennis Bund und können die Übertragungen, je nach Resonanz, über verschiedene Plattformen transportieren. Man kann die Berichterstattung also zunächst auf einen Sender verschieben, der eventuell einen nicht so großen Zuschauerstamm hat, in der sogenannten Zielgruppe aber passt. Und wenn man dann merkt, dass die Quoten stimmen, kann man die jeweiligen Highlights auch durchaus auf einem größeren Sender präsentieren. Man sollte sich da zunächst einmal in Demut üben und die Entwicklung aufmerksam verfolgen. Das zarte Pflänzchen vorsichtig gießen und nicht gleich ertränken. Früher wurde der Tennissport unheimlich gepusht, da gab es dann auch unzählige Wiederholungen am Tag. Das braucht es heute auch nicht, aber so ein gesundes Mittelmaß zwischen damals und heute wäre schon ganz gut.

 

SSUT: Wir wollten mit unserer Fragestellung vor allem darauf hinaus, dass es bei den großen Sendern, insbesondere ARD und ZDF, zwar ein großes Sportangebot gibt, aber eben Tennis dabei kaum eine Rolle spielt.

 

MS: ARD und ZDF haben beim Tennis natürlich das Problem, dass die Länge eines Matches schwer einzuschätzen ist. Da die beiden Sender auch noch ein anderes Sendeangebot haben und dem nachkommen müssen, eignet sich das Tennis nicht wirklich. Deshalb ist Tennis ein Sport, der sich eigentlich wirklich nur für Sportsender oder Live-Streams im Internet eignet.

 

SSUT: Das ist durchaus ein Aspekt, der logisch erscheint und wahrscheinlich so auch oft von Zuschauern vergessen wird.

Wenn Sie auf Ihre bisherige Kommentatoren-Karriere im Tennis zurückblicken – was war Ihr „bestes Spiel“?

 

MS: Die Frage wurde mir natürlich schon das eine oder andere Mal gestellt (lacht). Ich kann sie so pauschal nicht beantworten, weil es – sowohl im Tennis als auch im Fußball – Matches gibt, die sich völlig unerwartet zu einem Spektakel entwickeln. Bei den French Open 2004 zum Beispiel. Da standen sich in der ersten Runde die Franzosen Fabrice Santoro und Arnaud Clement gegenüber. Dass das lange dauern würde, war klar. Dass aber am Ende sechs Stunden und 33 Minuten herauskamen, hatte ich mir vorher nicht vorstellen können. Das war schon eine unglaubliche Erfahrung (Santoro gewann im fünften Satz mit 16:14/d. Red.). Es gibt einfach Begegnungen, die entwickeln dann eine gewisse Eigendynamik. Oft sind solche Highlights aber auch Partien, von denen man es im Vorfeld einfach nicht erwartet hätte.

Genauso gut kann ich mich an eine Davis-Cup-Partie zwischen Michael Stich und Thomas Muster erinnern, bei der ich über fünf Stunden gesessen habe. Oder die legendäre Endphase bei den Australian Open 2012, bei der Djokovic zweimal hintereinander fast sechs Stunden gespielt hat und im Finale Nadal in einem der besten Matches aller Zeiten in fünf Stunden und 53 Minuten mit 7:5 im fünf Satz niederrang. Das sind dann schon besondere Highlights. Und gerade bei den Männern, wo wir seit Jahren diese vier oder fünf Spieler an der Spitze haben, gibt es Begegnungen, bei denen man sich am nächsten Tag fragt, ob das wirklich real war, was da geboten wurde.

 

SSUT: Sie haben die Wahl, ein gutes Fußballspiel oder ein gutes Tennisspiel zu kommentieren – für welche Sportart würden Sie sich entscheiden?

 

MS: Da entscheide ich mich für Tennis, wenn ich kurz davor ein Fußballspiel kommentiert habe und für Fußball, wenn ich kurz davor ein Tennisturnier kommentieren durfte. Mir geht es zu aller erst darum, dass die Abwechslung in meinem Beruf erhalten bleibt.

 

SSUT: Als Kommentator hat man es schwer, es jedem Zuschauer recht zu machen. Es wird immer Zuschauer geben, die einer anderen Meinung sind. Wie gehen Sie damit um, wenn Kritik an Ihrer Leistung oder sogar an Ihrer Person aufkommt?

 

MS: Das ist ja völlig normal. Wenn die Kritik sachlich ist, ist das auch okay und legitim. Das Problem heutzutage ist, dass es eben auch gewisse Strukturen und Möglichkeiten gibt, Kritik zu äußern, ohne sich – ich sage mal – erkennbar zu machen und man damit relativ freizügig umgehen kann. Das finde ich in der Tat sehr problematisch. Ansonsten muss man eines aber ganz ehrlich sagen und das lernt ein jeder Kommentator auch in seiner Ausbildung: Wenn 30 bis 40 Prozent der Leute, die einem zuhören, mit dir zufrieden sind, hat man eine ganze Menge erreicht. Es gibt gerade in populären Sportarten immer Leute, die sich besser auskennen oder zumindest glauben, sich besser auszukennen. Das ist auch in Ordnung. Die Kritik muss nur auf einer gesunden und fairen Basis verlaufen. Das finde ich am wichtigsten.

 

SSUT: Sie selbst haben jahrelang in der 1. und 2. Tennisbundesliga gespielt und sind mehrfacher Journalistenweltmeister im Einzel und Doppel – warum hat es nie für die ganz große Karriere als Weltranglistenspieler gereicht?

 

MS: Das ist schwer zu sagen. Ich habe über 15 Jahre aktiv gespielt, aber relativ schnell gewusst, dass ich eigentlich in eine andere Richtung gehen will. Das ging dann auch relativ nahtlos über, obwohl ich kurze Zeit wirklich die Wahl hatte, es als Profi versuchen zu können. Das lag daran, dass ich damals in einer relativ guten Mannschaft gespielt habe, unter anderem auch mit Thomas Muster zusammen. Dazu kommt, dass ich neben dem Tennis auch noch Fußball und Leichtathletik gespielt und betrieben habe. Auch das hat relativ gut geklappt. Aber mir war – wie gesagt – relativ früh klar, dass ich in den Journalismus gehen will. In den letzten Tennisjahren, als ich dann in der zweiten Bundesliga gespielt habe, war ich auch schon für Radiosender und Eurosport aktiv, habe das dann vertieft und mich für diese Karriere entschieden. Ich verspüre da auch keine Wehmut. Vielleicht hatte ich auch zu wenig Talent, aber es war auf jeden Fall auch nie eine wirkliche Alternative.

 

SSUT: Kommen wir noch einmal kurz zum Fußball: In der letzten Woche wurden die WM-Gruppen ausgelost – welche Chancen hat die deutsche Mannschaft?

 

MS: Ich finde, dass die Gruppe, wenn man sie mit anderen vergleicht, in einem guten mittleren Bereich liegt. Sie ist wesentlich besser als eine Gruppe, bei der man sagt: „Die ist jetzt aber leicht, weil man da eben diesen oder jenen vermeintlichen Außenseiter wiederfindet.“ Und ich glaube, das sieht man beim DFB genauso.

Man kann jetzt sagen, wir haben im Sommer gegen die USA mit 3:4 verloren. Gut, aber da waren auch die Bayern und Dortmunder nicht dabei und Marc-André ter Stegen hatte wahrlich nicht seinen besten Tag. Gegen Portugal haben wir die letzten Spiele bei großen Turnieren gewonnen und Fußball ist immer noch ein Mannschaftssport, auch wenn der portugiesische Kollege mit der Nummer sieben da einiges alleine anstellen kann.

Ich finde, das ist eine sehr interessante Gruppe, bei der eine deutsche Nationalmannschaft aber den Anspruch haben muss, als Gruppenerster durchzugehen. Klar ist, dass die Mannschaft von der ersten Sekunde an wachsam sein muss. Wenn wir aber auf die Niederländer und die Spanier schauen, die ja quasi darum spielen, im Achtelfinale nicht auf Brasilien zu treffen, klagen wir auf sehr hohem Niveau.

 

SSUT: Zum Abschluss noch eine letzte Frage, die uns, als angehende Journalisten, auch ganz persönlich interessiert: Wenn man Ihren Kommentaren zuhört, dann hört man mehr als nur Analysen der Ballwechsel oder Spielzügen im Fußball. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass Sie immer topinformiert über das Umfeld oder die Hintergrundgeschichten eines Sportlers sind – wie eignet man sich so viel Wissen an? Geht das nur über Interviews oder hilft da auch das Internet?

 

MS: Internetrecherche mache ich natürlich auch, aber immer mit einer gewissen Vorsicht, denn nicht alles was man liest, entspricht auch den Tatsachen. Nach den vielen Jahren, ich bin jetzt schon 25 Jahre in dieser Branche, kenne ich den einen oder anderen Spieler ganz gut und so eignet man sich eben im Verlaufe der Zeit einen recht „exklusiven“ Erfahrungsschatz an. Außerdem telefoniere ich eigentlich vor jeder Partie mit den Spielern und/oder den Betreuern oder anderen Personen aus dem näheren Umfeld, egal, wo die sich aufhalten. Vor allem dadurch gelange ich im Wesentlichen an meine Informationen.

Es ist so, dass mich schon als Zuschauer vor allem die Geschichten hinter dem Sportler interessiert haben. Ich kommentiere ja auch Schwimmen. Da sehen die Zuschauer dann einen Menschen, der auf einem Startblock steht, eine Badekappe und eine Brille auf- und eine Badehose anhat. Der Mensch springt dann ins Wasser und das einzige, was ich weiß, ist, dass er relativ schnell schwimmen kann. Mich interessiert aber eben auch der Mensch unter der Kappe und hinter der Brille.

Außerdem finde ich, dass persönliche Informationen, wie beispielsweise Probleme bei der Anreise, gesundheitliche Probleme oder sonst irgendwas, sehr dabei helfen, die sportliche Leistung respektvoller und fairer zu bewerten.

Und wie gesagt: Wenn ich mir als Zuschauer und Fan Sport anschaue, und in erster Linie bin ich auch Sportfan, interessieren mich auch die Menschen als Person bzw. Persönlichkeit und nicht nur als Sportler. Genau das versuche ich in meinen Kommentaren mit einzubeziehen und rüberzubringen. Mal gelingt es mehr und mal weniger.

 

SSUT: Herr Stach, wir bedanken uns sehr für die viele Zeit, die Sie sich genommen haben. Wir wissen jetzt auch ein bisschen mehr über den Menschen hinter der Stimme und haben uns sehr über das Gespräch gefreut. Vielen Dank!

 

MS: Kein Problem. Schöne Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr!

 

0 Kommentare